Ob die Sehkraft durch eine Brille wirklich nachlässt, Gläser aus dem Supermarkt etwas taugen und die Lesebrille vom Ehemann erlaubt ist: Augenarzt Georg Eckert klärt auf.

Manch einer verschmäht die Brille, weil er glaubt, sie steht ihm nicht. Andere befürchten, die Gläser könnten ihren Augen schaden. Dr. Georg Eckert vom Berufsverband der Augenärzte beantwortet unsere Fragen.

Herr Eckert, verschlechtert eine Brille die Sehkraft?

Nein! Eine Brille hat keinerlei Einfluss darauf, wie sich die Sehfähigkeit eines Menschen verändert. Weder werden die Augen dadurch schlechter noch besser. Es ist auch gleich, welche Art von Fehlsichtigkeit vorliegt. Einzige Ausnahme: Bei Kindern, die zum Beispiel kurz- oder weitsichtig sind, bewirkt eine Brille, dass sich die Sehleistung voll ausbildet. Deshalb müssen Kinder die Sehhilfe auch auf jeden Fall tragen.

Weshalb benötigen Menschen dann, wenn sie älter werden, oft zunehmend stärkere Gläser?
Weil die Augenlinse im Laufe des Lebens immer unelastischer wird.

Was bedeutet das?
Möchte jemand die Zeitung lesen, stellen seine Augen auf den Nahbereich scharf. Dafür muss sich die Linse wölben. Solange sie flexibel ist, stellt dies auch kein Problem dar. Je älter ein Mensch wird, desto starrer wird jedoch die Linse. Das Wölben fällt ihr schwer, die Buchstaben in der Zeitung verschwimmen. Es kommt zur Alterssichtigkeit. Je unflexibler die Linse wird, desto schwerer liest sich ein Text und desto stärker muss dementsprechend die Lesebrille werden.

Trifft dies immer zu?
Nun, dass die Linse weniger elastisch wird, ist ein ganz natürlicher Alterungsprozess, den jeder Mensch durchmacht. Trotzdem benötigt nicht jeder alle paar Jahre eine stärkere Nahbrille. Ist ein Mann beispielsweise kurzsichtig, sieht er in der Ferne schlecht, kann aber ohne Brille ein Buch lesen. Er kann oft sogar bis ins hohe Alter ohne Probleme in einem Magazin schmökern. Denn die Alterssichtigkeit wird quasi durch seine Kurzsichtigkeit ausgeglichen.

Schadet es den Augen, wenn man die falsche Brille trägt?
Es schadet vielleicht nicht unbedingt den Augen. Trägt jemand aber eine Brille, die seine Fehlsichtigkeit nicht vollständig ausgleicht, kann er unter anderem Kopfschmerzen bekommen. Manchmal berichten dies Patienten auch, wenn sie eine Gleitsichtbrille neu erhalten. Hier ist die Brille jedoch nicht „falsch“ angepasst. Vielmehr muss sich der Träger erst an das Prinzip der Sehhilfe gewöhnen. Denn die Bereiche für Ferne und Nähe fallen bei diesen Brillen vergleichsweise klein aus, und das kann beim Sehen irritieren.

Was passiert, wenn die Frau die Brille ihres Ehemanns aufsetzt?
Das ist nicht weiter dramatisch. Sie sieht höchstens schlecht damit. Auf Dauer empfiehlt sich ein Brillentausch allerdings nicht, da die Gläser auf die Augen des eigentlichen Trägers angepasst sind.

Was halten Sie von Fertigbrillen, die es im Supermarkt oder an der Tankstelle gibt?
Sie sind nicht so schlecht wie ihr Ruf. Man kann sie durchaus vorübergehend benutzen. Etwa im Urlaub, wenn man die „richtige“ Brille daheim vergessen hat. Gewisse Einschränkungen gibt es allerdings schon. Eine Fertigbrille wird nicht genau angepasst. Sie setzt voraus, dass beide Augen die gleiche Sehstärke aufweisen, was jedoch meistens nicht der Fall ist. Hinzu kommt, dass ein Augenarzt bestimmte Augenkrankheiten ausschließen muss, wenn jemand plötzlich das Gefühl hat, er sieht schlechter. Fazit: Ich würde nicht ohne Weiteres eine Billigbrille im Supermarkt erwerben, sondern mich von einem Fachmann dazu beraten lassen.

Quelle: Apothekenumschau